Historie SPD-Grunewald

Frauen in Berlin Grunewald

Die Kolonie Grunewald
Unser Spaziergang führt durch den Berliner Stadtteil Grunewald in Charlottenburg-Wilmersdorf. Der heutige Ortsteil entspricht der „Kolonie Grunewald“, die im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts entwickelt wurde.

In der Boom-Zeit nach dem deutsch-französischen Krieg und der darauf folgenden Rezession wurden in den 80er Jahren wieder große Bauprojekte angeschoben. Dazu gehörte auch die Kolonie Grunewald. Ihrer Entwicklung lag ein Tauschgeschäft zugrunde, das unter Mitwirkung von
Reichskanzler Bismarck zustande kam: die eigens für diesen Zweck gegründete „Kurfürstendamm-Gesellschaft“ musste den Kurfürstendamm - damals noch mehr oder
weniger ein Feldweg - zu einem Prachtboulevard nach dem Vorbild der Champs-Elysées in Paris  ausbauen. Im Gegenzug erhielt sie 234 Hektar des Forstes Grunewald, um hier nach Trockenlegung von Sumpfgebieten und der Anlage einer Kette künstlicher Seen die spätere „Millionärskolonie Grunewald“ zu errichten. Die Satzung für die Entwicklung sah eine geringe Bebauungsdichte vor. Große Grundstücke wurden ausgewiesen, z.T. so groß, dass sie später wegen der Unmöglichkeit, sie zu bewirtschaften, wieder geteilt werden mussten - wie das Grundstück der Verlegers August Scherl. Damit aber waren die Weichen dafür gestellt, dass Grunewald nur für sehr wohlhabende Bauherrinnen und Bauherrn infrage kam, denen die Ansiedlung allerdings durch besondere Steuerprivilegien zusätzlich schmackhaft gemacht wurde. So siedelten sich hier vor allem Unternehmer, Bankiers, Akademiker und erfolgreiche Künstlerinnen und Künstler an.

Viele von ihnen stammten aus jüdischen Familien. Ob es die im Feuilleton oft zitierte deutsch-jüdische Symbiose hier wirklich gab, muss allerdings in Zweifel gezogen werden angesichts der rapiden Entwicklung nach 1933, die u.a. in vielfältigen Arisierungen jüdischen Besitzes und der sehr schnellen Vertreibung der jüdischen Bevölkerung aus dem Ortsteil Grunewald ihren Ausdruck fand.

Durch die Baumaßnahmen bei der Vorbereitung der Besiedlung auf dem Gelände der Kolonie Grunewald kam es zu umfänglichen Rodungen und Holzverkäufen. Daran erinnert der Berliner Gassenhauer „Im Grunewald, im Grunewald ist Holzauktion“, der um 1892 entstand. Die Kolonie feierte offiziell 1989 ihr hundertstes Jubiläum. Frauen in Grunewald Die Lebens- und Arbeitszusammenhänge von Frauen sind immer noch deutlich weniger dokumentiert als die von Männern. Das gilt auch für die Kolonie Grunewald. Einiges ist allerdings hier noch rekonstruierbar.
Bekannt sind zunächst die Künstlerinnen, die in der Villenkolonie lebten: zu ihnen zählen die Sängerin Lily Lehmann und Isadora Duncan in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, die Schriftstellerin Vicki Baum für die zwanziger Jahre und Hildegard Knef oder Leonie Ossowski für die Zeit nach 1945. Eine zweite Gruppe bilden Frauen, die sich im weitesten Sinne politisch engagierten.

Am Anfang stehen hier die Frauen der bürgerlichen Frauenbewegung mit Helene Lange, Gertrud Bäumer und Agnes von Zahn-Harnack. Sie waren vornehmlich vor 1933 aktiv, wurden sann abgelöst durch eine Generation von jüngeren Frauen nach 1945, die sich über die Frauenbewegung hinaus politisch oder sozial engagierten. Hildegard Wegscheiderstellt ein Bindeglied zwischen den beiden Generationen dar, Hertha Beese gehört dazu, auch Annedore Leber, die in Grunewald in der Redaktion des „Telegraph“ tätig war. Zu dieser Gruppe zählen auch die jüdischen Pädagoginnen, die durch ihre Schulgründungen kurz vor und im Nationalsozialismus jüdische Schülerinnen und Schülern auf die Emigration vorbereiteten: Leonore Goldschmidt, Lotte Kaliski, Vera Lachmann und Toni Lessler.

Bekannt sind weiterhin die Frauen bekannter Männer. Marta Feuchtwanger verstehtsich in diesem Sinne, wenn sie ihren Lebensrückblick „Nur eine Frau" nennt. Die bisher erwähnten Namen verweisen auf Frauen, von denen sich wenigstens der Name bis in unsere Gegenwart herübergerettet hat. Von vielen können wir allerdings auch noch mehr finden als nur den Namen, wenn wir danach suchen.
Die große Gruppe der Hausangestellten dagegen, ohne die der großbürgerliche Lebensstil, wie er in der „Kolonie Grunewald“ Alltag war, nicht denk- und realisierbar gewesen wäre, bleibt fast im Verborgenen.

Wir sehen sie immer mit den Augen der anderen Seite, „von oben", da sie selbst nur wenig von sich und ihrem Leben überliefert haben, denn ihr Leben galt auch als wenig überliefernswert. Dabei war gerade in Willmersdorf der Anteil der Hausangestellten vergleichsweise hoch: noch 1924 gab es in Wilmersdorf 18 000 „Perlen", das waren 10,3 % der Bevölkerung. Dass der Anteil in Grunewald aufgrund der besonderen Sozialstruktur noch höher war, darf vermutet werden.
„Selbstverständlich gehörten zu einem solchen Haus auch Dienstboten. Eine Mamsell, das Zimmermädchen, ein Hausmeisterehepaar und eine französische Gouvernante. Bei großen Gelegenheiten kam Herr Misamer, ein perfekter Butler, der wenige Häuser weiter im Dienst war... Das war wenig, verglichen mit dem Personal, das es in anderen Häusern gab, aber es erscheint mir heute wie ein Traum.“ Die Bediensteten wohnten meist in den Mansarden im Dachgeschoß, waren oft sehr eng und unbequem untergebracht. Die Mädchen zählten zur Familie wie die nicht berufstätigen Angehörigen. Bei den Zählungen zur Berufsgliederung vor 1882  wurden sie noch dem Berufszweig des Dienstgebers zugerechnet.

Die Dienstmädchen waren ein unerschöpfliches Thema bei Damenkränzchen, in Romanen und später in Filmen. Aber wenn von der „Hausgehilfinnennot“ die Rede war, dann war dabei nicht die Not der Mädchen, sondern der Mangel an ihnen gemeint. Noch bei einer Fragebogenaktion unter den Hausgehilfinnen Anfang der zwanziger Jahre, die 1928 von Gertrud Israel veröffentlicht wurde, betrug der Anteil der Mädchen, die jeden Sonntagnachmittag frei hatten, nicht einmal die Hälfte aller Befragten. Sie hatten unzählige Pflichten, aber keine Rechte, und waren ganz dem Ermessen ihrer „Herrschaft" anheimgegeben. In die Kranken- und Invalidenversicherung wurden sie erst 1911 einbezogen. Diese Abhängigkeit hatte Nicolaus Sombart sicher nicht im Auge, als er schrieb, dass „der entscheidende Indikator für die Kulturschwelle ... die wir überschritten haben, das  Verschwinden der Dienstboten ist. Man wird ein anderer Mensch, wenn es einem von Jugend an selbstverständlich sein darf, bedient zu werden, und kommt eigentlich nie über den Verlust an der dadurch gebotenen Entlastung und Lebenshilfe hinweg. "

Mit der zunehmenden Industrialisierung eröffneten sich den Mädchen, die meist vom Lande in die Städte kamen, in den Fabriken Arbeitsplätze. Sie boten mehr Freizeit und Geld, eröffneten zudem bessere Heiratschancen. Die Dienstbotenfrage - zu Beginn des Jahrhunderts auch in der Frauenbewegung heftig diskutiert - wurde überholt durch soziale Veränderungen. Die Kleinfamilie brauchte sie nicht mehr und konnte sie sich auch nicht mehr leisten.
Heute gibt es in diesem Bereich auch im wohlhabenden Grunewald kaum mehr Vollzeitbeschäftigungen, dafür die Reinigungshilfe oder das Au-pair-Mädchen. Diese große Gruppe von Frauen sollte aber nicht vergessen werden, wenn die anderen namentlich genannten aus der Gruppe der Künstlerinnen und Intellektuellen vorgestellt werden.

 

In Berlin-Grunewald lebten und wirkten viele namhafte Sozialdemokraten, die wir hier auf userer Website auflisten und deren Leben wir hier beschreiben möchten.

Hildegard Wegscheider 1871 - 1952

Hildegard Wegscheider (geboren am 02.09.1871 in Berlin) war eine Pädagogin, Politikerin und Frauenrechtlerin. Sie setzte sich ihr Leben lang für mehr Bildungsmöglichkeiten von Frauen und Mädchen ein. 1895 legte sie als erste Frau im Königreich Preußen ihr Abitur ab, nachdem ihr eine ministerielle Sondergenehmigung erteilt wurde. Die Universität Berlin lehnte sie als Studentin ab, so dass sie an die Universität Halle ging und dort 1897 als erste deutsche Frau in Philosophie promovierte. 1900 gründete sie in Berlin-Charlottenburg die erste private Schule im Gymnasialunterricht für schulpflichtige Mädchen. Sie trat bereits 1893 der SPD bei, gehörte von 1919 bis 1921 der verfassungsgebenden preußischen Landesversammlung an und war von 1921 bis 1933 Abgeordnete im preußischen Landtag. Außerdem war sie Vorstandsmitglied des 1919 neu gegründeten Bundes Entschiedener Schulreformer. Von 1920 bis 1933 war sie zudem Oberschulrätin in Berlin.

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 verlor sie alle Ämter. Sie blieb allerdings politisch aktiv und engagierte sich in einem kleinen Kreis Oppositioneller im Widerstand gegen das NS-Regime. Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm sie ihr soziales Engagement wieder auf. Für ihr soziales Engagement, ihre Lebensleistung und ihren Mut erhielt sie im Februar 1953 das Bundesverdienstkreuz erster Klasse. Sie starb am 04.04.1953 in Berlin. In Berlin-Grunewald ist das Hildegard-Wegscheider-Gymnasium nach ihr benannt.

Würdigung der SPD-Fraktion des Berliner Abgeordnetenhauses während der Gedenkveranstaltung  zum 80.Jahrestag der Widerrede gegen das Preußische Ermächtigungsgesetz:

https://www.spdfraktion-berlin.de/system/files/vorstellung_wegscheider.pdf

Wikipedia: Hildegard Wegscheider